Unterwegs in Kunst!
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| Start | News | Unterwegs in Kunst | 2016-06-03 |
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Die 9. Biennale startet gleichzeitig an fünf Orten:
- Akademie der Künste - Pariser Platz 4
- ESMT European School of Management and Technology - Schlossplatz 1
- The Feuerle Collection - Hallesches Ufer 70
- KW Institute for Contemporary Art - Auguststraße 69
- Fahrgastschiff Blue-Star der Reederei Riedel - Anlegestelle Fischerinsel
Überall herrscht Andrang ...
Voller Körpereinsatz des Künstlerkollektivs „Centre for Style“, das mit 19 TeilnehmerInnen das Werk „Dress Rehearsal“ umsetzt.
Eine Pressestimme bringt es auf den Punkt bzw. Satz: „Es ist die Ästhetik der „Upward Mobility“, der sozialen Distinktion, sich über den Konsum als, nun ja, besseren, umweltbewussteren, über die Probleme der Welt informierteren Teil der Gesellschaft darzustellen. Ein verbreitetes Modell privater Selbstinszenierung, das sich freilich in Berlin mit seinem nach wie vor realen Bevölkerungsdrittel an Hartz-IV-Empfängern besonders krass abhebt.“ (Deutschlandfunk)
Man könnte bei der bevorstehenden Fussball-Europameisterschaft an Trikottausch denken, doch weit gefehlt. Hier hat der US-Designer Telfar einen Pop-up-Shop eingerichtet, Merchandising gehört heute zum Job. Für die Berlinale-Volontäre hat er T-Shirts mit dem Wort „Personal“ bedrucken lassen, ein schönes Wortspiel.
Eigenwillig ist das „Happy Museum“ von Simon Fujiwara. Es erinnert weniger an ein Glücksmuseum als an eine Luxus-Boutique.
Sehr gut werden die einzelnen Gegenstände wie ein Riesenlebkuchen, eine Spitzendecke, ein eingepackter Blumenstrauß, ein Gartenzwerg, Kinderschokolade an einer Reduktion von weißen Spargelstangen vom Publikum aufgenommen.
Wen Wunder, Simon Fujiware hat mit seinem Bruder Daniel zusammengearbeitet, der eine Beraterfirma leitet, die Glück aus wirtschaftlicher Perspektive analysiert.
Bestimmend in der Akademie sind Videos durch ihre Postproduktion in Wohnlandschaften.
Geradeheraus als „so basic“ wirkt Halil Altinderes Musikclip „Homeland“, in dem der syrische Rapper und Geflüchtete Mohammad Abu Hajar seinen Willen zur Rückkehr kund tut.
Die Berliner Akademie der Künste wurde am 11. Juli 1696 von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, dem späteren König in Preußen Friedrich I., ins Leben gerufen. Sie ist nach Nürnberg (1662) die Zweitälteste in Deutschland. Heute befindet sie sich in einem 2005 eröffneten Neubau des Architekten Günter Behnisch, zwischen dem Hotel Adlon und der DZ Bank.
Was sich nach dem ersten Rundgang bei so viel Übertreibung und Verkleidung aufdrängt, „ist das digitale Leben wirklich so schlimm?“ Die im Moment beste Welt aller Zeiten führt zur Einsamkeit und Unruhe.
Würde es eine deutsche Revolution noch ein Mal geben oder auf der Coach „mit Daumen hoch“ enden?
Im Vordergrund eine Requisite der Performance von Ei Arakawa's „How to DISappear in America“.
Hier kommt zusammen, was nicht zusammen gehört: Die Skulpturen „The Swallower Swallowed - Ram/Sea Lion“ von Jon Rafman. Dazu ergänzend kann man mit einer Virtual-Reality-Brille den Pariser Platz dabei betrachten, wie er in einer Apokalypse vergeht.
Eine artistische Verrenkung einer Skulptur der Serie „Transit Mode – Abenteuer“ von Anna Uddenberg und so ähnlich fasst man die Position der Berlin-Biennale auf, die sich mehr oder weniger bewusst in den permanenten Kunstumtrieb einreihen soll oder möchte oder muss, um kritische Metapositionen einzunehmen?
Das New Yorker Kollektiv DIS, das die diesjährige Biennale kuratiert, verbindet mit den Locations paradoxe Situationen oder paradoxe Orte. Im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR am Schlossplatz lernen längst die Studenten der „European School of Management and Technology“, wie Kapitalismus funktioniert.
Simon Denny und Linda Kantchev beziehen sich mit „Blockchain Visionaries“ auf ein umstrittenes Finanz-Transaktionssystem, das z.B. mit eigenen Briefmarken für real existierende Firmen agiert.
Eine Umnutzung an einem Ort, die so irrsinnig ist, dass kein Post-Internet-Dekonstruktivist sie sich besser hätte ausdenken können.
Das Kollektive GCC aus Dubai hat mit „Positive Pathways“ dort eine Tartan Laufbahn installiert, wie sie in den Golfstaaten weit verbreitet ist. Mitten im Saal, der seit der Wende nicht genutzt wird, steht eine Frauenfigur mit Kind im Wüstensand und beschwört unsere „positive Energie“. Erich Honecker hätte seine Freude gehabt.
Der Ansturm ist riesengroß, aber dennoch hinein gekommen in den Innenhof des KW, der von dem Bildnis von „Rihanna - Ewaipanoma“, gestaltet von Juan Sebastián Peláez, bestimmt wird. Hier finden interessante Gespräche statt, die man beim Schlagenstehen unfreiwillig mitbekommt ...
Wenn Postproduktion wichtiger wird als das Video selbst, dann ist dieses Werk von Cécile B. Evans „What the Heart Wants“ das Highlight mit einer Holzplattform im Wasser. Und es zeigt, dass die Inhalte der Videos immer beliebiger werden und die Dystopien, die auf der Biennale angesagt sind, älteren Generation so gar nichts mehr sagen. Frei nach Loriot: „Ein Leben ohne Internet ist möglich.“ Was aber mit dem Begriff „Postinternet“ nicht gemeint ist.
Eher sind die Werke alle ein Ausdruck einer Wohlstandsgesellschaft, die in vielen Teilen leider nicht weiß, wie gut es ihr geht.
Wenn Beziehungen als „Monument Left“ von Julien Ceccaldi in einem Leuchtkasten enden, dann sendet man sich noch nicht ein Mal eine SMS mit dem Text „Aus, aber wir bleiben Freunde“. Auf FB?
Es sollen nach Angaben der Veranstalter am ersten Abend insgesamt 10.000 Besucher gewesen sein.
„Willkommen in der Post-Gegenwart“, so fassen die Kuratoren ihren künstlerischen Ansatz zusammen. Die ausgestellten Werke sollen die Widersprüche aufzeigen, die unser alltägliches Leben beherrschen: „Virtuelles als Reales, Nationen als Marken, Menschen als Daten, Kultur als Kapital, Wellness als Politik, Glück als BIP und so weiter.“
„The Present in Drag“ (Verkleidete Gegenwart)
4. Juni - 18. September 2016
9. Berlin Biennale
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